Trauerbegleitung

Der Familientisch befragte im Rahmen der Interviewreihe „Familie will`s wissen“ nun Maria-Anneliese Reschke, Inhaberin der Alzenauer Praxis für Supervision, psychosoziale Beratung, Coaching und Trauerbegleitung zu dem Angebot für Trauernde im Dietrich-Bonhoeffer-Haus.

Initiator für das offene Angebot war vor 12 Jahren Pfarrer Dr. Hansjörg Schemann, der eine Gruppe in Alzenau gründete. Ein Jahr danach traf sich die erste Gruppe mit trauernden Angehörigen unter Leitung von Frau Reschke.

Die frühere Sozialarbeiterin ist ausgebildete Trauerbegleiterin und Supervisorin (DGSv) und arbeitet seit 2006 in ihrer Praxis mit Einzelnen, Gruppen und Teams. Sie bringt ihre beruflichen Erfahrungen aus der Kinder- und Jugendarbeit,  Lebensberatung und Projektleitung für Alleinerziehende, Sozialberatung in Krankenhäusern und Krebsberatung von Patienten, in die Trauerbegleitung mit ein. Sie hat außerdem Qualifikationen als  Psychodrama – Assistentin (PifE) und Balint-Gruppenleiterin.

Frau Reschke bietet Gesprächsreihen nach Verlust eines Angehörigen, Partners oder Partnerin an, die den Charakter einer angeleiteten Selbsthilfegruppe haben. Das bedeutet, der weitergehende Zusammenhalt der Teilnehmer/innen soll gestärkt werden. Die Gesprächsreihe setzt Trauerprozesse erstmals oder neu in Gang und ermöglicht den Teilnehmern, problematische Trauerprozesse bei sich wahrzunehmen und daraus die geeigneten Konsequenzen zu ziehen.In der offenen Trauergruppe gibt es die Möglichkeit, zu kommen und zu gehen, wie der Trauernde es braucht. Er oder sie kann Freunde, Angehörige mit zu den Treffen bringen. Nach einem kurzen Impuls durch die Leitung, findet ein Austausch zwischen den Trauernden statt. Es geht auch hier, wie in der Gesprächsreihe für Trauernde, um die Bereitschaft der Trauerbegleitung, des aktiven Zuhörens, empathischen Einfühlens und um das Aushalten von Trauer und Schmerz.

Wünschenswert ist, mehr Informationen zu den Themen Sterben und Tod, z.B. Hilfe für die Angehörigen von sterbenskranken Menschen, in der lokalen Presse und in der Kirchenpresse zu lesen. Frau Reschke regt eine Podiumsdiskussion mit unterschiedlichen Experten zum Thema Sterben und Tod an, um Ängste zu reduzieren und mit einem Tabu-Thema an die Öffentlichkeit zu gehen.

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Das Interview im Wortlaut

Was sollte man, kurz zusammengefasst, über dieses Angebot wissen?
Vielen Trauernden tut es gut, immer wieder von ihren Erlebnissen zu erzählen. Oft spüren sie aber, dass ihre nächsten Angehörigen und Freunde es nach einer gewissen Zeit nicht mehr hören können und sie ziehen sich instinktiv zurück. Sprachlosigkeit und Unsicherheit im Umfeld der Trauernden wird zu einer zusätzlichen Belastung. Dies ist besonders tragisch, da es für den Trauerprozess wichtig ist, die verletzte Seele wieder heil werden zu lassen, Gefühle in Worte zu fassen und sie anderen mitzuteilen.

Frau Reschke

Frau Reschke

Dazu zitiere ich die Heidelberger Theologin Bettina Kommoss:
„Trauerbegleitung wird zu einer Solidarität derjenigen, deren selbstverständliche Harmonie unserer Welt zerbrochen ist. Sie setzt sich dem Elend vorbehaltlos aus und macht sich radikal abhängig von dem flehenden Ruf des Anderen in der Mitteilung der Trostlosigkeit und Teilhabe am Leiden. Trost heißt, in der Hoffnung und Sehnsucht bleiben und das Vertrauen darauf setzen, dass „Gott abwischen wird alle Tränen“.
Welche Qualifikation und Berufserfahrung haben Sie?
Von Beruf bin ich Sozialarbeiterin, Supervisorin und Trauerbegleiterin. Seit 2006 arbeite ich in meiner Praxis mit Einzelnen, Gruppen und Teams. Berufliche Erfahrung habe ich in der Kinder- und Jugendarbeit, beim Aufbau einer Vorschule im Ausland, der Lebensberatung und Projektleitung für Alleinerziehende, Sozialberatung in Krankenhäusern und Beratung von Krebspatienten. Ich habe  weitere Qualifikationen als Psychodrama – Assistentin (PifE), Balint- Gruppenleiterin und als Trauerbegleiterin.
Seit wann gibt es das Angebot im Dietrich – Bonhoeffer – Haus?
Die Anregung zur Trauerbegleitung kam vor 12 Jahren von Pfarrer Dr. Hansjörg Schemann, der hier eine Initiativgruppe bildete. Ein Jahr danach fand die erste Gruppe mit Trauernden Angehörigen in Alzenau unter meiner Leitung statt.
Welche Gruppen gibt es derzeit?
Die Gesprächsreihe nach Verlust eines Angehörigen, Partner/Partnerin hat den Charakter einer angeleiteten Selbsthilfegruppe, was bedeutet, der weitergehende Zusammenhalt der Teilnehmer/innen soll gestärkt werden. Die Gesprächsreihe setzt Trauerprozesse erstmals oder neu in Gang und ermöglicht den Teilnehmern,
problematische Trauerprozesse bei sich wahrzunehmen und daraus die geeigneten Konsequenzen zu ziehen.
Die nachfolgend genannten Themen sind nicht abzuhandeln oder gar abzuhaken, und dennoch kreisen sie immer wieder um die innere Akzeptanz des Verlustes und den Aufbau einer neuen Beziehung zur Welt. In der inneren Verarbeitung der Trauer spielen Träume eine nicht unwesentliche Rolle.
Themen der Trauerbegleitung sind unter anderem:
  • Das Erzählen des Leidens und Sterbens
  • Der Wunsch nach Wiedervereinigung mit dem Verstorbenen
  • Das Akzeptieren des Verlustes
  • Der Umgang mit Aggressionen
  • Die Bearbeitung von Schuldgefühlen
  • Suizidabsichten aussprechen und besprechen
  • Der Versicherung, nicht „falsch“ zu trauern
  • Das Unverständnis und die Ungeduld der anderen aushalten
  • Die zum Teil Angst machenden Wahrnehmungen (Halluzinationen)
  • Eine drohende soziale Isolation zu überwinden
  • Ein fürsorglicher Umgang mit der Erinnerung an die/den Verstorbene/n
  • Schritte ins Leben wagen
Die Gesprächsrunde findet unter Leitung einer Trauerbegleitung statt.
Das Vertrauen untereinander soll wachsen. Es findet ein angeleiteter Austausch zwischen den Trauernden statt. Die Darstellungen der Teilnehmer sind meist erlebnisgefüllt, lassen Wohltuendes und Schmerzendes in der Begegnung erkennen.
In der offenen Trauergruppe gibt es die Möglichkeit, zu kommen und zu gehen, wie der Trauernde es braucht. Er/sie kann Freunde, Angehörige mit zu den Treffen bringen. Nach einem kurzen Impuls durch die Leitung, findet ein Austausch zwischen den Trauernden statt.
Es geht auch hier, wie in der Gesprächsreihe für Trauernde, um die Bereitschaft der Trauerbegleitung, des aktiven Zuhörens, empathischen Einfühlens und um das Aushalten von Trauer und Schmerz.
Wie werden die Gruppen organisiert?
Die Gesprächsreihe findet an sechs Abenden im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Alzenau statt. Die Teilnahme an allen Terminen ist verbindlich. Es hat sich bewährt und es war gut, eine geschlossene Gruppe durchzuführen, wo das Vertrauen untereinander wachsen konnte.
Mit der Gruppe wird an den folgenden Themen gearbeitet:
  • Vom Erleben des Sterbens und Todes des geliebten Menschen
  • Das hätte ich ihm/ihr noch sagen wollen…
  • Wie oft willst Du das noch erzählen?
  • In meinen Träumen sprichst Du nicht mehr mit mir…
  • Wie kann ich ohne sie/ihn weiterleben? Schritte durch die Trauer ins Leben.
Die angeleitete offene Trauergruppe trifft sich in der Regel einmal im Monat außerhalb des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses im Restaurant „La Taverna“ in Alzenau. Die Gruppe nutzt den Raum, um nach einem kurzen Impuls beim Essen und Trinken in gemütlicher Atmosphäre ins Gespräch zu kommen.
Neben den oben genannten Gruppenangeboten werden in der Regel zwei Mal jährlich (im Frühjahr und Herbst) Ganztagsveranstaltungen durchgeführt. So fuhren die Trauernden Angehörigen zu verschiedenen Orten wie zum Beispiel : Kloster Engelthal (Altenstadt), Seminarzentrum Rückersbach, Tagungszentrum Schmerlenbach, Bad Orb und Habichtsthal/Frammersbach zur Wanderung im Spessart.
Hier wird jeweils ein Tagungsprogramm in der Gruppe angeboten, bei der das Miteinander, die Gemeinschaft und der Austausch mit Gleichgesinnten im Mittelpunkt stehen.
Gibt es Kooperationen mit Psychiatern, Psychologen?
Im Rahmen meiner Akquise für die Arbeit in der Trauerbegleitung,  gab und gibt es immer wieder verschiedene Gespräche mit niedergelassenen Fachärzten, bei denen die Trauer von Patienten in ihrer Praxis eine besondere Bedeutung hat. Sie empfehlen ihren Patienten dann u.a. die laufenden Gruppenangebote für Trauernde in Alzenau und Umgebung.
 Was lief aus Ihrer Sicht bisher gut?
  • Gute Zusammenarbeit und guter Austausch unter den Trauernden
  • Gute Resonanz und Weiterempfehlung der Trauernden an andere Betroffene
  • Gute Verteilung der Informationen (Flyer, Trauergespräche) durch persönliche Kontakte von Pfarrern mit Trauernden ( Multiplikatoren – Pfarrämter – Pfarreien der Evangelischen und Katholischen Kirchen) durch Beerdigungsinstitute
  • Gute Unterstützung durch verschiedene Sponsoren und private Spender
 Wo erhalten Sie die größte Unterstützung?
  • Durch die Trauernden selbst, die ihre Erfahrungen an die nächsten weitergeben
  • Durch die Pfarrer und kirchlichen Mitarbeiter unserer Kirchengemeinden
  • Durch die Angehörigen der Trauernden, die die Angebote lesen und an die Trauernden weitersagen oder sich bei mir in der Praxis oder im Pfarramt melden.
 Was ist noch verbesserungswürdig?
  • Es wäre gut, mehr Informationen zu den Themen Sterben und Tod, z.B. Hilfe für die Angehörigen von sterbenskranken Menschen, in der lokalen Presse und in der Kirchenpresse zu lesen.
  • Eventuell eine Podiums – Diskussion in der Gemeinde mit unterschiedlichen Experten zum Thema Sterben und Tod, um Ängste zu reduzieren und mit einem Tabu-Thema in die Öffentlichkeit zu gehen.
  • Weitere finanzielle Unterstützung  durch freiwillige Spenden z.B. für Ganztagsveranstaltungen – für jede Spende sind wir dankbar.
  • Es wäre schön, wenn die Informationen über die Angebote der Trauerarbeit der lokalen Berichtserstattung zeitnaher erscheinen könnten.
Wo kann man sich näher informieren?
 Flyer:  „Durch das Tal der Trauer gemeinsam gehen“ in  den Pfarrämtern im Kahlgrund, im Wasserloser Krankenhaus und beim Beerdigungsinstitut Ritter.
Direkt telefonisch:
Anne Reschke, Supervisorin, Trauerbegleiterin, Tel. 06023 – 92 96 41,
Pfarrer Johannes Oeters, Tel. 06023 – 97 06 60, Evangelisch – Lutherische Kirchengemeinde Alzenau,
Pfarrer Jan Kölbel, Tel 06023 – 300 77, Katholische Pfarrgemeinden Alzenau.
Im Internet:
Was raten Sie trauernden Angehörigen, die auch nach Jahren noch sehr belastet sind und dadurch Schwierigkeiten haben, den Alltag zu bewältigen?
Es ist für viele Trauernde wertvoll und hilfreich, wenn Sie ein vertrauensvolles Gegenüber haben, um sich Ihre Sorgen und was sie belastet „von der Seele zu reden“. Wenn die Trauer „nicht enden will“, wenn jemand nicht alleine und nicht in einer Gruppe aus dem tiefen Tal kommt, dann ist fachärztliche, therapeutische Hilfe notwendig.
Eine nicht bewältigte Trauer geht dem Körper und der Seele eines Menschen nicht verloren. Daher tut um des eigenen Weiterlebens willen die Sorge um die „rechte“ Trauer not.
Meine persönliche Erfahrung ist die, dass es mir hilft, in der Stille und im Gebet mit Gott ins Gespräch zu kommen. Von dort kommt Hilfe, manchmal gerade dann, wenn ich nicht damit (und mit ihm) rechne!
Haben Sie weitere Hinweise, Vorschläge oder einen Appell?
Ich komme ebenso wie Frau Kommoss bei der folgenden Frage
„Wann ist eine Trauerbegleitung gut und gelungen?“ zu dem Schluss:
  • Wenn bestimmte Erfahrungen der Realität, die sich nicht in das „normale Schema“ einfügen, bewusst wahrgenommen werden
  • Wenn sie hilft zu erinnern, zu klagen und zu trauern auch mit dem Ziel, Empfindungsfähigkeit für Schmerz und Leid, und die Fähigkeit  zu trauern, vermittelt
  • Wenn sie in der Trauer die Treue zum Anderen hält
  • Wenn sie einen sicheren Platz für Wut bietet, denn Zorn und Wut müssen einen Adressaten haben dürfen
  • Wenn sie bereit ist zum Aufbruch, bereit, den eigenen Egoismus und die Selbstbehauptung durch die Begegnung mit dem Fremden und Anderen zu überwinden.
 Das Interview mit Maria-Anneliese Reschke führten Inge und Thomas Röhrs.