Oberlicht e.V – Hilfe für psychisch Erkrankte

Der Familientisch befragte die Psychiaterin Gisela Eichfelder als Vorsitzende des Alzenauer Vereines „Oberlicht e.V.“

Im Rahmen der Interviewreihe des Familientisches Alzenau wurde die Alzenauer Psychiaterin Gisela Eichfelder als Vorsitzende des Vereines „Oberlicht e.V.“ befragt.

Der vor 14 Jahren von Betroffenen gegründete Verein hat sich inzwischen zu einem wertvollen Angebot entwickelt für Menschen mit psychischen Erkrankungen und deren Angehörige. “Die vielfältigen Angebote waren eine sehr wertvolle Entlastung bei meiner Tätigkeit als Psychiaterin, als ich vor 17 Jahren in Alzenau begann”, sagt Frau Eichfelder. Neben einem monatlichen Vereinstreffen gibt es verschiedene Gruppen, wie eine Frühstücksgruppe, die Mittwochsgruppe für Freizeitgestaltung und Spiel, eine Schwimmgruppe, einen Stammtisch, eine Bipolar-Gruppe, eine „Arbeit-Aktiv“-Gruppe, eine Nordic-Walking-Gruppe und Tagesausflüge, die sehr gern wahrgenommen werden. Zusätzlich bietet der Verein noch zwei geleitete Selbsthilfegruppen für Menschen mit Depressionen und Ängsten an. Alle zwei Jahre gibt es eine Sommer- Wochenendreise, in diesem Jahr nach München, verbunden mit einem Besuch im Justizministerium.Oberlicht1

In den Gruppen sind weniger die Alterserkrankten aktiv, sondern Menschen mit vielfältigen psychischen Erkrankungen, die oftmals arbeitsunfähig oder frühverrentet wurden und nicht selten finanzielle Sorgen haben. Die Akteure kommen vor allem aus dem ganzen Kahlgrund, dem alten Landkreis Alzenau. Die Altersspanne der Aktiven reicht von 18 Jahren bis zum Rentenalter. Um die Angebote zu nutzen, muss man nicht zwangsläufig Mitglied im Verein sein.

Fachliche Hilfe und Vereinsangebote werden von den Erkrankten und Angehörigen verstärkt angenommen. Während die Anzahl der psychischen Erkrankungen, wie wissenschaftlich nachgewiesen, nicht gestiegen ist, ist das Bedürfnis nach Unterstützung bei den Betroffenen größer. Das Thema ist in der öffentlichen Wahrnehmung präsenter geworden, vielleicht durch publizierte Erkrankungen in den großen Medien.

Größte Herausforderung ist der Arbeitsmarkt, wo sich die Anforderungen an Arbeitnehmerinnen hinsichtlich der Flexibilität, Mobilität und Weiterbildung erhöht haben. Hinzu kommen Überforderung, Stress und Mobbing am Arbeitsplatz, der Druck durch Hartz IV sowie prekäre Arbeitsverhältnisse und Stellenabbau.

Auch im Kahlgrund sind Arbeitsangebote für Leistungsschwächere, wie zum Beispiel Selbsthilfefirmen, dringend erforderlich, übersteigen aber die Möglichkeiten des Vereines.

Das Interview mit Frau Eichfelder im Wortlaut:

Was sollte man, kurz zusammengefasst,  über den Verein wissen?

Er wurde von Menschen mit psychischen Erkrankungen und deren Angehörigen für eine gemeindenahe Psychiatrie im Jahr 2001 mit meiner fachlichen Unterstützung gegründet und ist ein offenes Angebot für alle Erkrankten, Angehörigen, professionell Tätigen und Interessierten. Die Vereinsmitglieder treffen sich jeweils am ersten Dienstag eines Monats öffentlich und es gibt regelmäßig verschiedene Angebote im Rahmen von Gruppen.

Wie kam es zur Vereinsgründung?

1997 wurde hier eine Außenstelle des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Regierungsbezirkes Unterfranken gegründet und 1998 eröffnete ich meine Psychiatrische Praxis. Es gab vorher kein sozialpsychiatrisches Angebot und ein Patientenstammtisch wurde zunächst gegründet, um sich auszutauschen, Verständnis zu entwickeln und gemeinsame Ausflüge zu organisieren.

Welche Angebote macht „Oberlicht e.V.“?

Neben dem Vereinstreffen gibt es verschiedene Gruppen, wie eine Frühstücksgruppe, die Mittwochsgruppe für Freizeitgestaltung und Spiel, eine Schwimmgruppe, einen Stammtisch, eine Bipolar-Gruppe, eine „Arbeit-Aktiv“-Gruppe, eine Nordic-Walking-Gruppe, Tagesausflüge und alle zwei Jahre einen Ausflug für ein Wochenende. Oberlicht1Dieses Jahr fahren wir nach München und besuchen dank einer Einladung das Justizministerium. Zusätzlich bieten wir Hilfe für  Menschen mit Depression und Angst in zwei geleiteten SH- Gruppen an. Die Nutzung der Angebote ist nicht von einer Vereinsmitgliedschaft mit einem Jahresbeitrag von 20 € abhängig,

Hat der Begriff „Oberlicht“ einen Bezug zum Aufgabenfeld?

Dazu gibt es eine kleine Geschichte: Ein psychisch schwer erkrankter Mann, der später bei uns recht aktiv wurde, schöpfte in einer für ihn sehr beklemmenden Situation in der geschlossenen Psychiatrie in Lohr a. M. wieder neue Hoffnung und Kraft, als er einen Sonnenlichtstrahl durch ein Oberlicht bemerkte. Dieses Erlebnis war sein persönlicher Wendepunkt und er schlug „Oberlicht“ als Vereinsnamen vor.

Welche Menschen werden von diesem Verein erreicht?

Weniger die Alterserkrankten, sondern Menschen mit vielfältigen psychischen Erkrankungen, die oftmals arbeitsunfähig oder frühverrentet wurden und nicht selten finanzielle Sorgen haben. Deren Herkunft ist vor allem der ganze Kahlgrund, also der alte Landkreis Alzenau. Die Altersspanne reicht von 18 Jahren bis zum Rentenalter.

Wie viele Mitglieder haben Sie aktuell?

Derzeit sind es 134 Vereinsmitglieder.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie?

In der Regel haben wir nur positive Rückmeldungen und erfreulich ist, dass es kaum Konflikte gibt. Unsere Angebote werden gut angenommen und bei unseren Tages-ausflügen sind meistens 40 oder mehr Teilnehmer/innen dabei. Unsere Veranstaltungen zu verschiedenen Themen werden gut besucht und ich habe den Eindruck, dass unser Verein in Alzenau anerkannt wird. Sehr gefreut haben wir uns  über den Sonderpreis des Bayerischen Gesundheitspreises, den wir 2012 erhielten.

Bemerken Sie signifikante Veränderungen bei psychischen Erkrankungen?

Die fachliche Hilfe und unsere Angebote werden von Betroffenen und deren Angehörigen verstärkt angenommen. Das Bedürfnis nach Unterstützung wurde deutlicher, während die Anzahl der Erkrankungen nicht gestiegen ist. Das Thema ist in der öffentlichen Wahrnehmung präsent, vielleicht auch durch Erkrankungen und vereinzelten Suiziden von sehr bekannten Hochleistungssportlern.

Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen?

Ganz klar der Arbeitsmarkt, wo sich die Anforderungen hinsichtlich der Flexibilität, Mobilität und Weiterbildung erhöht haben. Ungesunder Stress am Arbeitsplatz und Mobbing, der Druck durch Hartz IV und prekäre Arbeitsverhältnisse mit Stellenabbau. Auch bei uns wären Arbeitsangebote für die weniger Leistungsfähigen dringend erforderlich, übersteigt aber unsere Möglichkeiten als recht kleiner Verein.

Gibt es Kooperationspartner des Vereines?

Partner sind alle Institutionen der  ambulanten und stationären Versorgung, die in der Psychoszialen  Arbeitsgemeinschaft der Region Untermain vertreten sind. Für den Arbeitsmarkt sind es vor allem der Integrationsfachdienst der Arbeiterwohlfahrt, der mit der Agentur für Arbeit zusammenarbeitet und das Cafe Oberlicht2Arbeit am Ort. Neu ist die Koordinationsstelle für Arbeitsdiagnostik und berufliche Reintegration des Bezirkes Unterfranken in Aschaffenburg und Lohr in der psychiatrischen Klinik. Neben Diagnose gibt es dort Trainingsangebote und Unterstützung, um die Chancen einer Arbeitsvermittlung zu erhöhen.

Was lief aus Ihrer Sicht bisher gut?

Wir hatten das Glück, in der Region immer wieder auf Förderer zu treffen. Wir haben inzwischen auch die Unterstützung der Stadt Alzenau. Besonders wichtig ist aber auch, dass sich immer wieder Menschen aktiv einbrachten und so die Gründung unserer Gruppenangebote ermöglichten, was mich bei etwa 850 Patienten im Quartal in meiner Praxis ganz erheblich entlastet und als Hilfe zur Selbsthilfe gelebt wird.

Was ist noch verbesserungswürdig?

Es sind vor allem die Arbeitsmöglichkeiten für Leute, die früh verrentet wurden. Für Geringverdiener müsste die Vermittlung von Verdienstmöglichkeiten für deren finanzielle Besserstellung geschaffen werden. Unsere Öffentlichkeitsarbeit könnte sicher noch etwas verstärkt werden.

Wo kann man sich näher informieren?

Am einfachsten über das Internet unter www.oberlicht-ev.de oder mit Hilfe von Flyern und Infomaterial über unseren Verein und unsere Gruppen, die in meiner Praxis in der Wasserloser Straße 25 in Alzenau ausliegen.

Haben Sie weitere Hinweise, Vorschläge oder einen Appell?

Ich wünsche mir die Gleichstellung der psychischen Erkrankungen  mit allen anderen Krankheitsbildern, also keine  Sonderstellung und Ausgrenzung, wie sie den Betroffenen immer noch zu oft begegnet.

Die Vereinsangebote, die von Betroffenen organisiert und mitverantwortet werden, sind eine ungeheure Entlastung bei meiner Arbeit als Psychiaterin in Alzenau und ich habe keine Sorge, dass der Verein nach meinem beruflichen Ausscheiden in zwei bis drei Jahren nicht mehr so aktiv ist. Ich hoffe, dass eine fachliche Nachfolge mit Hilfe der Kassenärztlichen Vereinigung gesichert werden kann. Der Bedarf ist vorhanden.

Unsere nächsten Veranstaltungen:

  • 24.3.15 um 18.30 Uhr im Maximilian-Kolbe-Haus: Vortrag von Marie Hock-Westhoff vom Institut für Haltungsgesundheit, Tai Chi Chuan und Qi Gong Aschaffenburg zum Thema „Aus der Haltung kommt die Kraft – wie kleine Haltungsveränderungen die Psyche positiv beeinflussen können“.
  • 2.4.15 ab 19.00 Uhr Stammtisch in „La Taverna“ in der Brentanostraße
  • 3.4.15 um 13.00 Uhr Haltestelle Burg mit der Bembel Ausflug nach Blankenbach und   anschließend eine kleine Wanderung  zur „Villa am Sattelberg“ in Schöllkrippen.
  • 7.4.15 um 20.00 Uhr in unseren Räumen Friedberger Gässchen 1 b – Monatstreffen
  • 18.4.15 um 14.00 Uhr Kräuterwanderung mit R. Krause – Treffpunkt Burgparkplatz

Das Interview führten Bodo Münch und Thomas Röhrs mit Gisela Eichfelder.

Kontakt: www.oberlicht-ev.de